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bill bao’s beach
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Dies ist ein Experiment. Ich stelle Anfänge meines Romans hier ein. Hat mensch Lust weiterzulesen? Falls ja (email),  gibts evtl. mehr Seiten (Ich verspreche nichts ;-)  (Zugegeben: die Formatierung lässt vielleicht etwas zu wünschen übrig......
Worum geht’s? Ich glaube es ist ein Entwicklungsroman: Wie man wird was man ist, und was man dagegen tun muss :)
Die einzelnen Kapitelüberschriften zu Beginn sagen glaube ich auch einiges
über den kommenden Inhalt aus ...

AÇUCAR E LUZ

ZUCKER UND LICHT

 

Roman, August 1997

Georg Dietz (www.BillBaosBeach.de)

Alle Rechte vorbehalten/All rights reserved

 

Born to Be Wild 4

In Gottes Namen 9

Besuchszeit 11

Musik aus Atlantis 13

Home Sweet Home 14

Deep Water 18

I Don’t Like Mondays 26

Der wunderbare Waschsalon 27

Song of Joy 28

Tristan und Isolde 32

Missionars Stellung 33

Zoo-Logos 34

Verklaerte Nacht 35

Sweet Christmas Violin 38

Ein Traumpaar 40

Song of Mother Africa 41

Der Wald, die Frau, der Sohn, der Tod 42

As Times Go By 42

Schlimme Gedanken 45

Going Home 49

Violent Violin 49

Eclat eclatant 51

Waterbabies See the Sea 53

Xangô 57

Schmerzensmann 57

Zucker und Licht 60

Ankunft 84

Nach ein paar Jahren 88

L’Orchestre jaguaresque 90

Die neuen Barbaren 95

Macumba 97

Zauberrieselflimmern 99

Interview 100

Heimkehr 105

Vater unser .Pater noster 106

Chilam Balam 109

Star-Glitter 110

A Onça (Die Raubkatze) 115

A Festa 119

Meeting of the Spirits 121

Das Weib 124

Zwillingsseelen 127

Ogum, Sao Jorge 130

Little Warm Death / Wenn der Frühling verzagt 130

Selva Amazonica 136

Buddha-Boat and String-Quartett 138

Erde ohne Mensch 143

Hymne an den Amazonas 145

KaiMan 147

Ein Mann in Manaus 149

Kill Apollo Every Day 149

Zurueck nach Deutschland 154

Erde zu Erde , Staub zu Staub 158

Psalm 42: 159

GESANG 161

Born to Be Wild

Um mitternacht lag Martha Vohrer auf dem kreissaaltisch im grellen und stoehnte unter den periodisch wiederkehrenden wehen. Sehr lange wuerde es sicherlich nicht mehr dauern, hoffte sie jedenfalls, und im stillen, waehrend der ruhephasen der gebaermuttermuskulatur betete sie zu gott, dass er doch ihre schmerzen ertraeglicher machen und die geburt nicht noch laenger hinauszoegern moechte. Dann, wenn die wehen wieder mit gewalt einsetzten, fuehlte sie eine unbekannte macht ihren schoss durch kneten und walken, eine macht, die sie beaengstigte, weil sie sich ihrem einfluss entzog , und selbst gott zum zuschauer zu degradieren schien. Ob es ueberhaupt einen sinn haben wuerde, um beistand zu flehen, wo es doch eigentlich ihr los war, unter schmerzen zu gebaeren? Wenn sie unertraeglich wuerden vielleicht?

<Dass nur dem kind nichts passiert>, dachte Martha Vohrer beim ansturm der naechsten wehe - war es ueberhaupt gesund? Immer noch steckte ihr das losungswort des tages aus jeremia 3o, vers 11 in den knochen:

<Aber mit dir will ich nicht ein ende machen. Ich will dich mit massen zuechtigen, doch ungestraft kann ich dich nicht lassen.>

Sie war vor der eheschliessung einmal der versuchung erlegen.- mit Arnold - dabei hatte sie doch einfach seinem draengen nachgegeben und sich hinterher auch geekelt und geschaemt und gott fuer ihre suessuende um vergebung gebeten .

Dann stoben wieder alle gedanken aus Martha Vohrers gehirn und eine neue schmerzwelle liess sie aufstoehnen. Das hartweisse licht an der decke, zusaetzlich von den kacheln reflektiert, brannte sich in ihre waessrigen augen. Ihr schoss verkrampfte sich, der muttermund gab dem druck keinen millimeter nach. Der arzt, der ihr eben unten herum tastete, schuettelte den kopf:

<Nichts zu machen frau Vohrer, einfach zu hart, zu verschlossen ihre muskulatur, so kommen wir nicht weiter. Wenn sie sich nicht entspannen koennen.>

Hatte gott denn kein einsehen mit ihr? Wuerde er ihr denn nicht die notwendige kraft fuer alles schenken? Nein, er wollte sie pruefen, ja pruefen, die staerke ihres vertrauens und ihres glaubens pruefen in dieser extremsituation. Und erntete sie letztendlich nicht auch die fruechte ihrer taten und ihrer verfehlungen? Gott sei dank lag ihr noch das zweite wort aus 2.Petrus 3,9 im ohr:

<Der herr hat geduld mit euch und will nicht, dass jemand verlo-ren werde, sondern dass jedermann zur busse finde.>

Warum war Arnold jetzt nicht hier? Er sei nicht in der lage einen vorgang wie die geburt auszuhalten - uebelkeit, die ganze niedrigkeit der klebrig blutigen natur in einem ekelerregenden ablauf komprimiert. Haette aber nicht wenigstens er ihr ein bisschen beistehen koennen, die hand halten, die stirn kuehlen, ihr mut machen, ihr .

Seit acht stunden! Acht lange undendliche, zermuerbende stunden. Warum war Arnold jetzt nicht hier??

Die elektrode am aufgeblaehten bauch funkte nachlassende herztaetigkeit des kindes auf den monitor - mangelnde sauerstoffversorgung. Seit dem alle zehn minuten wiederkehrenden einsetzen der wehen hatte sich ihr muttermund um keine haarbreite geweitet. Die hebamme drehte den wehentropf auf, um die geburt zu beschleunigen. Man wartete drei, vier wehen ab, kontrollierte erneut den geburtskanal, bis der diensthabende arzt eine weitere massnahme daran anschloss:

<Da hilft alles nichts, frau Vohrer, wir sollten ihnen eine spritze setzen,>

Er versuchte dabei in seine stimme etwas beruhigendes zu legen,

< Keine angst, davon kriegen sie nur einen kleinen pieks mit. Sie werden hinterher keine schmerzen mehr empfinden und ihr muttermund wird sich lockern, sodass die austreibungsphase doch schon in erreichbarer naehe liegen wird - na was halten sie davon?>

Martha hielt ueberhaupt nichts mehr von irgendetwas und nickte nur noch stumm und ergeben. Gott hatte sie bis an den rand ihrer leidensfaehigkeit getrieben und sie eine kurze zeit verlassen, er wuerde sie auch wieder heraus fuehren mit hilfe dieses arztes. Waehrend der mann, der eben mit ihr gesprochen hatte, die anaesthesie telefonisch anforderte, glitt Martha Vohrer unversehens vor erschoepfung in einen zustand der bewusstlosigkeit, den niemand bemerkte. Die naechste wehe und die aufforderung eines anderen mannes, sich auf die rechte seite zu drehen, riss sie wieder heraus. Es gelang ihr nicht. Sie schrie, als sie von vier haenden zur seite gewaelzt wurde. Eine schwester, die mitgekommen war, desinfizierte eine stelle am unteren teil der wirbelsaeule, waehrend der betaeuber zwei fluessigkeiten zusammenschuettete und eine spritze damit aufzog. Routiniert setzte er sie an den rueckenmarkskanal und schob langsam ab. Vor dem hinausgehen legte die anaesthesieschwester ihre hand auf Marthas schulter und drueckte leicht zu. Martha gelang es, den kopf ein wenig zur seite zu drehen. Ihr blick fiel auf die infusionsflasche mit dem wehenfoerdernden inhalt, der ihr auch nichts gebracht hatte. Vielleicht dieses mal. Bald verlor sie jegliches gefuehl unterhalb ihres bauchnabels, denn wie beabsichtigt stellte sich eine lokale taubheit ein. Martha begann jetzt von der taille an aufwaerts. Was da unten geschah, hatte nicht mehr viel mit ihr zu tun, gleichwohl es doch eigentlich bedeutend sein sollte. Auf jeden fall spuerte sie keine schmerzen mehr. Nun konnte sie aufatmen. Sie genoss es. Fast alle schwere fiel ab - da unten. Aber der wehenschreiber hatte anscheinend noch zu tun, und die hebamme, und der arzt noch mehr als zuvor. Sie vollfuehrten merkwuerdige turnuebungen auf ihrem bauch. Haetten sie sich nicht eine andere frau dafuer heraussuchen koennen? Jetzt wurde sie sogar noch aufgefordert mitzupressen. Womit eigentlich? Und wohin? Nach hinten? Nach vorne? Nach unten? Martha tastete sich durch gefuehllose unterleibshoehlungen auf der suche nach muskelstraengen, die ihr irgendwie zu willen sein sollten und tat ihr bestes. Das personal feuerte sie noch staerker an. Die stimmen wurden angespannter, waehrend Martha schon wieder dabei war, apathisch aufgeloest wegzutauchen. <Jetzt wieder mitpressen!> droehnte es an ihr ohr, <frau Vohrer, eben kommt die naechste wehe ja, gut so, weiter so, gleich haben wir's.> Martha gibt auf. Ein oberarzt faehrt sie barsch an. Die frau reisst sich ein letztesmal verzweifelt zusammen. Der oberarzt schuftet, die hebamme hat das nasse koepfchen schon in der hand, Martha Vohrer waehlt die schwarzen fluten. Nach dem aufwachen erfaehrt sie von einem jungen. Man war schnell bei der hand, ihr ein in stoff gewickeltes buendel mit dunklen gekaemmten haaren kurz vor die nase zu halten. Martha empfand noch nicht sehr viel dabei. Diesem kleinen ding also, hatte sie mit die schwersten stunden ihres lebens zu verdanken. Halt, da geschah immer noch etwas zwischen ihren beinen: unter einer art stoffzelt sass der arzt, wahrscheinlich der dienst habende, und naehte sie unten wieder zu - vorher aufschneiden gehoert zur geburtsprofilaxe.

<Ich habe ihnen einen wunderschoen exakten schnitt gesetzt, mit meinem rasiermesser, damit sie uns nicht bis zum bauchnabel aufreissen,> meldete sich eine stimme von unter der quarantaene-plane. Gleich darauf eilte eine schwester, eine durchsichtige plastiktuete mit der nachgeburt schwingend, durch den saal und toente wissend: >seien sie froh, dass ihr mann das nicht sieht, die meisten maenner kotzen und ruehren hinterher ihre frauen nie wieder an!

°°Dann hatte es also wenigstens etwas gutes fuer sich gehabt, dass Arnold zu hause geblieben war°°.

Der kleine wurde dann ins saeuglingszimmer mitgenommen, putzig, wie sie alle da lagen auf den armbaendchen stand ja der name, es konnten also keine verwechslungen vorkommen. <Nicht wahr, frau Vohrer, sie muessen ja jetzt auch einmal ihre ruhe haben - er hat ordentlich eine auf den hintern geklatscht bekommen, da haetten sie ihn aber mal hoeren sollen, zuerst hat er ja nicht so recht gewollt, ein bisschen blau zu anfang, das kommt vor, wenn sie zu lange stecken, aber ein strammer bursche, der steckt so was weg. Schlafen sie sich einmal richtig gut aus.>

Martha Vohrer fuehlte sich noch immer ziemlich benommen. Eigentlich hatte sie den wunsch, ihr kind neben sich legen zu lassen und zu betrachten, liess dann aber doch wieder davon ab, erstens war sie zu erschoepft, zweitens wuerden so erfahrene saeuglingsschwestern schon wissen, was gut fuer sie beide war, drittens hatte gott sie nun endlich erloest, er wuerde auch seine hand ueber das kindlein halten. Ein dankesgebet auf den lippen, den blick auf das kreuz ueber den weissen kacheln geheftet, schlief sie ein.

Ungefaehr dreissig meter weiter den gang entlang, schlief das neue wesen im saeuglingszimmer. Lustige kinderbildchen konnte man von draussen am fenster sehen - teddies, pumuckel, garfield, alf und benjamin bluemchen. Hinter der tuere - eintritt untersagt - hing eine unzahl von fotografien frueherer kurzzeitbewohner. Die schwestern wussten zu jedem bild eine geschichte. Den neuen jungen hatten alle gleich in ihr herz geschlossen, durchaus auch wegen seiner vielen dunklen haare auf dem winzigen eikoepfchen. <Schlichtweg goldig>. So verwunderte es auch nicht, dass die nachtwachen den ersten mucks des buendels unverzueglich zum anlass nahmen, es an sich zu druecken, mit ihm im zimmer auf und ab zu gehen und ihm im elektrischen schoppenwaermer ein flaeschchen zuzubereiten. Wer so viel gearbeitet hat, muss schliesslich auch etwas zur brust nehmen.

Unter den halb gesungenen worten der frau, die ihn nun auf ihren linken unterarm gelegt hatte, sog der kleine lebensgierig an dem noch unbenutzten latexmundstueck des glasbehaelters, made in taiwan, mit der voll auf ihn abgestimmten fertignahrung. <Total goldig>! Der junge konnte sich nicht beklagen, die zwei schwestern meinten es gut mit ihm, und sie waren's zufrieden. So ein putziges kind hatte es schon lange nicht mehr auf station gegeben <einfach zum knutschen>. Die stillende schaute auf den, in einen einfachen silbernen rahmen gefassten bibelspruch,der ueber dem wagen mit den verlaufskurven hing:

<Der fuer dich wasser aus dem kieselfelsen quellen liess, der in der wueste dich mit manna speiste> 5.Mose 8,15 u. 16

Die uhr zeigte vier, der mond vergoss sein ganzes licht. Die fruechte des augustes draussen wollten bald bersten. Stille im krankenhausgebaeude. Die situation neben dem kreissaal hatte etwas ruehrendes. Nur ab und zu meldete sich einer der saeuger. Vor allem die, die sich nach den geburtsstrapazen zum teil wieder gefangen hatten. Nicht immer gelang es den naechtlichen angestellten, sie unverzueglich wieder zur ruhe zu betten. Manche der schreihaelse stellten sich gar zu dumm an, dergestalt, dass sie die fluessigkeit, die ihnen doch kraft und staerkung haette geben koennen, einfach wieder erbrachen. Es bedurfte vieler geduld und nervenkraft der betreuenden, solche naechte zu meistern. Aber schliesslich hatte man sich mit dem entschluss zur ausbildung zur saeuglingsschwester keinen illussionen hingegeben und wusste um die schattenseiten des berufes. Na ja, im grunde wurden die kinder alle geliebt, und der anblick der nuckelnden saeuglinge entschaedigte fuer alle unbill.

Den naechsten tag stand auch gleich Arnold stolz mit einem strauss blumen auf der matte. Die sonne leuchtete durch die hellgelben gardinen ins zimmer herein und beschien alsbald die blumen und die gluecklichen gesichter der erzeuger, es war ein sonntag. Arnold wollte alles genau wissen. Ob es denn in der nacht denn bald von statten gegangen waere, ob sie denn viele schmerzen gehabt haette, usw. Er staunte nicht schlecht, als Martha ihm von ihren leiden erzaehlte. <Armes>, fluesterte er und nahm sie dabei schuetzend zu sich. Seine frau selber hatte das gefuehl, als waere sie noch einmal davongekommen. Was hatte sie sich nicht alles fuer sorgen gemacht, die ganze schwangerschaft hindurch. Sorgen um das leben des kindes, sorgen um ihr leben. Eigentlich war ihr bis zu diesem tag jegliches wohlgefuehl abhanden gekommen. Die erfahrung der sexualitaet - zum erstenmal, noch dazu in der ehe - steckte ihr, die sie im geiste der reinheit und lauterkeit erzogen, noch immer in den knochen. Fast traumatisch hatte sie es erlebt. Eine ganze jugend lang hatte sie maechtig dagegen gekaempft, den boesen fleischlichen luesten keine handhabe zur vertreibung des heiligen geistes aus dem gefaess ihres koerpers zu geben - eine heroische leistung - und dann sowas! Ja, gott segnet die ehe, aber er duldet keine unreinen gedanken,und sexuellem genuss ist er hoechst abhold!

Allein, Martha Vohrer dachte pragmatisch genug, um zu wissen, dass kindersegen nur auf die eine art und weise zu haben war. Es dauerte ja nicht allzu lange und auf betaetigung in diesem geiste blickte gott wohlgesonnen. Sie hatte die zeit der fruchtbaren tage ausrechnet, sodass es nur dreier versuche ihres mannes bedurft hatte, ueber sie zu kommen. Trotzdem war sie nicht frei von suendigen gedanken gewesen, und diese schuld hatte bis zum tag ihrer geburt wie ein wurm in ihren gebeinen gefressen. Nun wusste sie, gott vergibt allen, die busse tun (sogar jimmy swaggart), verGillt uns nicht nach unseren missetaten und fuehrt alles herrlich hinaus!

<Dass du mich hast aus gnaden

in der vergangnen nacht

vor gfahr und allem schaden

behuetet und bewacht.

ich bitt demuetiglich:

wollst mir mein suend vergeben,

womit in diesem leben

ich hab erzuernet dich.

Die helle sonn leucht jetzt herfuer,

froehlich vom schlaf aufstehen wir;

gott lob, der uns in dieser nacht

behuet hat vor des teufels macht.>

Indem sie die beiden strophen aus dem kirchengesangbuch still vor sich hinsang, fand Martha an diesem morgen wieder zu ihrer alten zuversicht.

 

In Gottes Namen

<Muss er denn unbedingt Dario heissen??, ich meine, bestehst du absolut darauf, bitte Arnold! Denk doch mal nach, schau: jeremias, traugott, gotthilf oder friedrich, das sind doch namen eines christenmenschen wuerdig - ich weiss gar nicht, wo du diesen Dario ausgraben hast, was sollen denn die anderen gemeindemitglieder von uns denken?>

<Martha bitte, ich glaube in dieser sache haben wir nun genug federn gelassen, nun halte dich auch an unseren muehsam errungenen kompromiss, naemlich: wenn's ein maedchen wird bestimmst du, im anderen falle ich.>

<Aber ich konnte doch nicht ahnen ich war fest davon ueberzeugt, es wird ein maedchen!!> stotterte Martha. <Siehst du, da hast du deine weibliche intuition pfeifendeckel! Dir gefaellt doch auch 'Arnold', liebes, 'Dario' enthaelt vier buchstaben von 'Arnold', so wie unser sohn einen teil von meinen anlagen in sich traegt.>

<Und meine?> fragte Martha entruestet.

<Von dir ist das 'a' und das 'r' drin, gleich am anfang, so wie in 'Martha' und 'Arnold' - ich komme dir damit sogar noch sehr entgegen.>

Das leuchtete fast ein. <aber das sind nur zwei. Willst du etwa behaupten, er haette mehr von dir?>

<Nein, aber finde mal einen einen halbwegs normalen namen, in dem vier buchstaben von dir, und vier von mir enthalten sind, oder wenigstens drei: dartho, arthon oder dolram, wie hoert sich denn das an, das gibt's doch gar nicht.>

<Gott bewahre, auf welche kabalistik versteifst du dich da? Kannst du dem jungen nicht einen einfachen namen geben? Typisch chemielehrer - das ergebnis der verbindung aus stoff a mit stoff b enthaelt aehnliche molekuelstrukturen wie die ausgangsstoffe, nicht wahr?> <Bitte Martha, wir wollen uns nicht schon wieder streiten, gerade jetzt, wir haben doch grund zur freude.>

Martha liess es gut sein. Die kluegere gab nach, und schliesslich musste sie sich ja an ihre abmachung halten. Dario! Kein gottwohl gefaelliger name. <Aaron!!! Warum nicht Aaron?? Arnold, warum nicht 'Aaron', warum in gottes namen nicht Aaron? Du haettest dein system, und wir beide einen gemeinsamen nenner!>

<Weil Aaron der sprecher von Moses war>, eben wurde Arnold etwas lauter, <und mein sohn wird nicht der sprecher irgend jemandes, der redet selber!>

Es waere wohl noch eine weile so weiter gegangen, wenn nicht ploetzlich das objekt der auseinandersetzung das zimmer betreten, besser gesagt geschoben worden, haette.

Arnold sah nun das erste mal das ergebnis seiner dreimaligen bemuehungen (ob seine frau mit der zeit ihren idealismus ablegen wuerde, schliesslich war er ja ein mann?) und fand es angesichts des minimalen aufwands beachtlich. Martha betrachtete ebenfalls zum ersten mal das kind, das neun monate eine koerperliche einheit mit ihr gebildet hatte und auf einmal eine ganze nacht lang verschwunden gewesen war.

Die saeuglingsschwester nahm es forsch heraus - schliesslich arbeitete sie schon fuenfzehn jahre in diesem job - und legte es Martha in die arme. Die mutter fuehlte sich ein wenig unsicher, was das halten anbetraf.

<Auf alle faelle das koepfchen stuetzen,> belehrte die schwester sie, die die anfaengliche ungeschicktheit bemerkt hatte, <ja, nicht so zimperlich - aber das haben sie schnell raus, schliesslich machen wir frauen das seit jahrtausenden, das sitzt tief in uns drin, weiblicher instinkt. Legen sie es jetzt doch einmal an, frau Vohrer, ihr junge hat bestimmt hunger.> Dario brauchte keine sekunde, um die dieses mal echte brustwarze mit lippen und zunge zu fassen und sog, als ob er ein leben lang nichts anderes getan haette.

<Ganz schoener zug am leibe>, aeusserte Arnold stolz, <kann nicht genug kriegen.>

<Das ist noch die frage, ob er genug kriegt>, warf die ploetzlich und unangemeldet hereinwalzende stationsschwester ein, <viele frauen haben nicht genug milch, oder koennen ueberhaupt nicht stillen, man muss abwarten.>

Martha erstarrten bei diesen worten die eben zart angeregten brustdruesen. Sie war sich sicher, dass sie ihrem kind auch keine milch wuerde schenken koennen, und dass das anlegen auf dauer ein sinnloses unterfangen bedeutete.

<So, das genuegt, am anfang nicht zuviel, sonst koennten sich die brustwarzen entzuenden. Mal sehen, wieviel, oder ob er ueberhaupt was getrunken hat>. Der saeugling wurde auf eine waage gelegt.

<Das sieht mir nicht besonders rosig aus, frau Vohrer, nicht e i n gramm, ich glaube wir muessen ihm wieder ein flaeschchen geben, sonst verhungert er uns noch.>

Martha nickte ein wenig enttaeuscht, sah aber die massnahme als berechtigt an. Die saeuglingsschwestern besassen erfahrung. Dario kam zurueck in sein bettchen.

 

Besuchszeit

Rege schritte draussen auf dem gang verrieten den beginn der besuchszeit, und schon kramte das personal die letzte noch irgendwie verwendbare blumenvase, oder was sich dazu zweckentfremden liess, aus den schraenken. Der ploetzliche einsatz eines chores vor der tuere schreckte Martha, Arnold, sowie Dario gleichermassen abrupt auf:

<Lobt gott ihr christen alle gleich,

in seinem hoechsten thron,

der heut schleusst auf sein himmelreich,

und schenkt uns seinen sohn,

und schenkt uns seinen sohn.>

Und in geringfuegiger verkennung gewisser biologischer gegebenheiten:

<Er kommt aus seines vaters schoss

und wird ein kindlein klein,

er liegt dort elend nackt und bloss!

in einem krippelein,

in einem krippelein.>

Mit inbrunst toenten die stimmen das lob des schoepfers, der in der vergangenen nacht wieder zugeschlagen hatte. Solche folgen zeitigt das leiten eines kirchenchores. Das elende kind in der krippe stimmte lauthals mit ein, gleichwohl es der noten noch unkundig. Auf die gesichter von sopran bis bass trat ein leuchten, und der unvermittelte einsatz Darios spornte das gutmeinende ensemble zu noch lauterer heiligkeit an. Herzerfrischend. Haette es noch eine geringe hoffnung auf das einschiessen der muttermilch in Marthas brust gegeben, spaetestens jetzt waere sie zuschanden geworden - die milch, die brust, die hoffnung. Darios lungen probten den ersten haertetest, bis jeder der um ihn herumstehenden voellig von dessen unaufhaltbarer saengerkarriere ueberzeugt war. Was fuer ein kind. Die klitzekleinen haendchen, die vielen dunklen haare auf dem zierlichen koepfchen - zum fressen - ganz die mutter, ganz der vater.

Der tag hat viele stunden besuchszeit. Zwei dreimal noch wurde Dario angelegt und gewogen. Das letztemal am abend, bevor man ihn wieder vom warmen koerper der mutter, oder zumindest aus ihrem zimmer in die unermessliche, unfassbare ferne kaelte eines weltraums verstiess, wo er in gesellschaft anderer entwurzelter 'adaptierte-saeuglings-milch-fertignahrung-trinkfertig-vor-gebrauch-schuetteln' wie ein verzweifelt vergessen wollender alkoholiker hinunterschuettete.

So endete der erste tag im leben Darios mit der verweigerung des elementarsten. -

In der schwuel heissen nacht lag Martha Vohrer immer noch wach, weil sie nicht einschlafen konnte. Manchmal hoerte sie von hinten ziemlich schrilles kreischen - ob es ihr junge war, wusste sie nicht. Bestimmt schrie eines der anderen, die schwestern hatten ja gesagt, ihrer sei nicht so kompliziert - trotzdem, ganz sicher sein konnte sie nicht. Nun, wenn er hunger hatte, wuerden sie ihm natuerlich etwas geben. Ausserdem, der heutige tag hatte sie ganz und gar gefordert. Die ruhe stand ihr redlich zu. Also hoerte sie durch die weit geoeffneten fenster den grillen und anderem geziefer zu, sagte im stillen einen der trostpsalmen auf und daemmerte langsam dahin.

 

Musik aus Atlantis

Allmaehlich versank sie in schweren schlaf und je tiefer sie versank, desto tiefer schuerften traumgesichte in den gruenden ihres vergessenen atems. Martha traeumte den traum, der sie so und aehnlich schon oft heimgesucht hatte,den sie aber im wachen zustand mit einem schmerzlichen gefuehl von verlust und abscheu stets verleugnete. Ihr koerper erschien ihr ploetzlich wie die schimmernde lichtspie- gelung einer fata morgana am horizont, die sich langsam verfluessigte und ihren schein in alle ebenen ausdehnte. Koerperlinien entbloesten sich in ein lagunenwarmgefuehl zwischen umriss und osmose, verschwimmender gestaltung und gestaltlosigkeit. Himmel und erdfurchen oeffneten ihre speicher, verschluckten und tauschten und liebten und frassen. Mit dem verschwinden des festen zustandes kroch ihr ein waermegefuehl in die fuesse die beine hoch, strahlte ins becken aus, machte alles weit, dehnbar, feucht, erregt, vibrierte weiter ueber die empfindlichen brustwarzen, die halsschlagadern, fuellte schliesslich den kopf, der die wellen weitersandte. Haende beruehrten sie manchmal dabei.

Zuerst strichen ihre eigenen hueftwaerts, und je mehr sie sich ihrem schoss naeherten , sah sie sich in erdspalten einbrechen in richtung der roetlichen aura des kerns spaeter kamen andere haende dazu, die sie annahm, und denen sie den weg der waerme wies. Waehrend sie sich so genoss, loeste sich ihre phantasie oft vom geleiteten lauf ihres traums und begann nie betretene wunschregionen suechtig und durstig zu bevoelkern. Was sie hier sah, ja schlimmer noch, erlebte, liess sie im angesichte gottes vor scham und schuld im boden versinken. Es gab keinen menschen, dem sie sich hierueber anvertraut haette. Allein im stillen kaemmer lein kaempfte sie darum, die trennung von gott wieder zu beseiti gen,indem sie sich in den staub warf und um seine - wie sie wusste - unverdiente gnade flehte. Gott hatte meistens ein einsehen und freute sich wieder ueber einen menschen, der des lobes voll ueber seine barmherzigkeit war. Aber zwei drei tage reuige busskraempfe sprangen schon dabei raus fuer ihn.

Nach dem aufwachen fuehlte sich Martha um so irritierter, als sie auch die geburt noch einmal erlebt hatte, und zwar unter schmer zen, aber mit der gleitfaehigkeit und offenheit des traumes. Sollte ihr nach all den leistungen denn kein tag des friedens fuer das geplagte gemuet beschehrt sein?

 

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